GOTTHARDT: „BALKANROUTE KONTROLLIERT MAN NICHT ALLEIN IN BAYERNS BERGWALD“
Politische Freunde: FW-Landtagskandidat diskutiert Flüchtlingspolitik mit albanischer Ministerin / „Wer Lösungen will, der muss mit anderen reden.“
REGENSBURG/BRÜSSEL. Manchmal liegen persönliche Freundschaft und politisches Geschäft nicht so weit auseinander: Für FW-Landtagskandidat Tobias Gotthardt gilt das im Fall der albanischen Vize-Justizministerin Teuta Vodo. Beide kennen sich seit Jahren, waren Kollegen auf dem Brüsseler Parkett und pflegen bis heute den engen Dialog. Am Rande des EU-Balkangipfels hat der Regensburger das albanische Regierungsmitglied zu einem ausführlichen Gespräch an seinem Dienstort Brüssel getroffen.
Hauptthemen: Der albanische EU-Beitritt und Seehofers Flüchtlingspolitik. Ergebnis: „Wir waren uns einig: Die Balkanroute kontrolliert man nicht im bayerischen Bergwald – und einsame Entscheidungen ohne die Einbindung der europäischen Nachbarn sind kontraproduktiv“, so Gotthardt. Vodo habe ihm bestätigt, „dass Albanien bereit ist, eine aktive und partnerschaftliche Rolle in der gemeinsamen Arbeit gegen unkontrollierte Flüchtlingsströme zu übernehmen: Wir müssen uns wappnen.“ Zudem gelte es, die Entwicklungspolitik massiv auszubauen, Waffenlieferungen zu reduzieren und Fluchtursachen ganz konkret zu bekämpfen.
Keinesfalls, so Vodo, könne Europa Albanien und Mazedonien als reine Wellenbrecher und Bollwerk gegen künftige Migrationsströme missbrauchen – auch nicht in Hinblick auf den angestrebten EU-Beitritt der Länder. „Das ist klar: Sie wollen erhobenen Hauptes und ehrlich Mitglieder der EU werden – nicht kniend, durch einen Kuhhandel“, so Gotthardt. Auch unabhängig von den umstrittenen „Transitzentren“ jenseits der EU-Außengrenze gebe es viele Möglichkeiten der engen und erfolgreichen Kooperation: „Es geht um die Sicherung und Kontrolle der Grenzen“, so Gotthardt.
Bereits seit Jahren investiere Albanien laut Vodo intensiv in Grenzsicherung und Aufbau von Verwaltung und Justiz: „Wir tun das auch, um für Flüchtlingsströme gerüstet zu sein“, so die u.a. für Europa zuständige Ministerin im Gespräch mit Gotthardt. Für den 41jährigen Kandidaten, seit Jahren Parlamentarischer Referent im Europaparlament, ist klar: „Söder und Seehofer spielen grad in alter Strauß-Manier bayerische Außenpolitik und versagen dabei nicht zum ersten Mal. Es ist zum Fremdschämen: Kopf in den Sand“.
Für Gotthardt liegt „die große Chance im Dialog auf Augenhöhe. Wer Lösungen will, der muss mit den anderen reden. “ So gebe es auch auf dem Balkan zahlreiche Themen, um einen „sicherlich langwierigen EU-Beitrittsprozess zu begleiten“ – von Energie- und Verkehrsinfrastruktur bis hin Kooperation im Mittelstand, Jugendaustausch und legaler Migration, sprich Einwanderungsgesetz: „Es gilt, denBalkan an den europäischen Weg zu binden – andere schlafen nicht. Wir können aneinander wachsen, voneinander profitieren – auf Augenhöhe.“ Auch im Bereich der Justizreform könne Bayern liefern: „Denkbar wäre ein intensiver know-how-Austausch, um die ambitionierten Ziele der Ministerin zu unterstützen.“
Dass man „dann das Thema der Balkanroute noch einmal ganz anders diskutieren kann“, hält Gotthardt sehr für möglich: „Die Bereitschaft, etwas zu tun, seinen Beitrag in Europa zu leisten, ist da.“ Und auch bei der Frage der Flüchtlingsregistrierung gebe es „Möglichkeiten, die die betroffenen Menschen nicht wie abgeschobenen Sondermüll – um die Befürchtungen des albanischen Präsidenten aufzugreifen – zu behandeln. Es gibt Konzepte, die für beide Seiten gangbar sind. Es gibt Wege, die allen helfen – und darüber müssen wir offen und ehrlich reden. Miteinander – nicht übereinander.“
Von der bayerischen Staatsregierung wünscht Europakenner Gotthardt sich „künftig einfach mehr diplomatische Intelligenz und europapolitisches Fingerspitzengefühl”. Seine Einschätzung: „Bayern hätte das Zeug, hat die Beziehungen für eine führende Rolle in der Balkan-Politik. Genutzt haben wir das bislang kaum.“ So eigne sich auch nicht jedes Thema für einen panisch polternden CSU-Wahlkampf nach Söder-Art: „Die Asyldebatte braucht Ruhe, Sachlichkeit und Dialog. Keiner verlangt weiter ein pauschales ‚Wir schaffen das‘ – aber die Zeichen in Europa stehen auf ‚wir packen das gemeinsam an‘. Gemeinsam – nicht in weiß-blauem Einzelkampf und Wahlkampfdonner.“
Foto: Gute Freunde, die den sachlichen Dialog pflegen: FW-Landtagskandidat Tobias Gotthardt im ausführlichen Gespräch mit Albaniens Vize-Justizministerin Teuta Vodo, zuständig für EU-Beitritt und Justizreform.