

BRENNBERG/BRÜSSEL. Mehr als 300 Teilnehmende pro Ausgabe – Tendenz steigend. Der „EuropaStammtisch online“ der Renew-Fraktion in Europaparlament und Europäischem Ausschuss der Regionen ist eine feste, monatliche Institution im Netz. Zum Zweijährigen haben die Initiatoren – der Europaabgeordnete Engin Eroglu und Landtagsabgeordneter Tobias Gotthardt als Europaausschussvorsitzender und Mitglied der Renew im Europäischen Ausschuss der Regionen – den Stammtisch mit 60 ausgewählten Mitgliedern der online-Community erstmals real im Wirtshaus Laumertal in Brennberg zusammengeholt.
Stammtisch entstand aus der Not Heraus
Zentrale Themen der zweistündigen, so offenen wie intensiven Diskussion: Resilienz, Reformen und Entbürokratisierung – ein Europa, das im Alltag ganz konkret liefert.
Entstanden, so Eroglu in seiner Einführung, sei der Stammtisch aus der Not der Pandemie heraus. „Wir wollten uns von Corona nicht den Kontakt zu den Menschen zerstören lassen“, sagt der Europaabgeordnete. Jeden ersten Dienstag im Monat laden er und Gotthardt seitdem zum digitalen Austausch – mit großem Erfolg. Via Livestreams auf Social Media-Plattformen, wie Facebook, Twitter und YouTube können Gäste der Diskussion beiwohnen. Sich beteiligen und mitdiskutieren können Interessierte direkt über Zoom oder die Kommentarfunktion auf Facebook. So kommen monatlich mehr als 300 Gäste zu den Debatten. „Vor kurzem wurde ich bei einem Termin in der Europäischen Kommission in Brüssel auf unseren feinen Stammtisch angesprochen“, erinnert sich Gotthardt und schmunzelt nicht ohne Stolz.

MdL Tobias Gotthardt (v.l.), Bürgermeisterin Irmgard Sauerer und Engin Eroglu beim Offline Treffen des Online-Stammtischs in Brennberg. Foto: Lex
Auch die Offline-Variante war ein voller Erfolg. Ohne inhaltliche Vorgaben standen die beiden Abgeordneten im Laumertal in der Arena ihres, laut Gotthardt, „DorfHallMeetings“. Inmitten der Tische platziert, beantworteten sie Fragen, nahmen Kritik und Vorschläge entgegen. Die Themenvielfalt reichte dabei vom Ruf nach einer vergemeinschafteten Verteidigungspolitik („da ist in der Effizienz viel, viel Luft nach oben“) über die Frage nach einer europäischen Verfassung („diese gute Idee haben Populisten vor zwanzig Jahren brutal zerstört – zum Nachteil einer gut funktionierenden EU“) bis hin zur Ausweisung Roter Gebiete in Bayern („die Landwirtschaft leidet heute unter 15 Jahren deutscher Untätigkeit und darauf folgender, bürokratischer Torschlusspanik“). Mehrfach angesprochen wurde seitens der Beteiligten der Wunsch nach europäischer Unabhängigkeit. Egal, ob Nahrungsmittel, Medikamente oder eigene Server-Kapazitäten: „Die Leute wollen, dass Europa in den heute fast alltäglichen Ängsten einfach liefert.“
„Wir brauchen freundschaftlichen Realismus und keine ideologische Blauäugigkeit“
Das, so Finanzexperte Eroglu, gelte auch für Inflation und Energiepreise. „Viele der Stellschrauben, die wir jetzt drehen müssen, können nur europäisch bewegt werden.“ Dabei aber dürfe man nicht in ein pauschales „mehr Europa“ verfallen. „Wir brauchen freundschaftlichen Realismus und keine ideologische Blauäugigkeit“, sagt auch Gotthardt. Europa lebe mit vom Wettbewerb seiner Mitgliedsstaaten – das sei per se nichts schlechtes: „Man braucht aber den Willen zum Konsens – und die Bereitschaft, wieder mehr miteinander, statt übereinander zu reden.“
Damit das funktioniert, plädieren Eroglu und Gotthardt auch im Namen ihrer Renew-Fraktionen für wirksame Reformschritte und formulieren auch die zentralsten. „Wir müssen die Kommission verkleinern – 27 Kommissare sind zu viele. Wir müssen dem Parlament ein Initiativrecht geben – nur so ist man vollwertiger Gesetzgeber. Und wir brauchen ein echtes Mitentscheidungsrecht der Regionen als wichtige Säulen für Europa“, so der Europaabgeordnete.

Die Gäste verfolgten die Diskussion beim Offline Treff des Online-Stammtischs in Brennberg mit MdL Tobias Gotthardt und Engin Eroglu. Foto: Lex
Kritik an der Aufhebung
Kritisch sehen die beiden die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips in den letzten, verbliebenen Bereichen wie Erweiterung, Außenpolitik oder Finanzen. „Das sind so zentrale Elemente, da kann sich gerade Deutschland das Überstimmen einer südeuropäischen Mehrheit nicht leisten. Das wäre zum Nachteil für ganz Europa“, sagt Gotthardt. „Über neue Transferleistungen sollte nicht allein in Rom, Madrid und Sofia entschieden werden.“
Alles in allem sehe man sich, so Eroglu, als „verlässliche Macher und Reformer im Europa der Bürger“ und stelle sich „gegen jede Form inhaltsleeren Europa-Blablas aus Brüssel – das können und wollen die Leute nicht mehr hören. Dafür ist nicht die Zeit.“
Dezember 2022